Hoimar v. Ditfurth wurde am 15. Oktober 1921 in Berlin-Charlottenburg geboren. Er entstammte der Familie des preußischen Rittmeisters und späteren Altphilologen Hans-Otto von Ditfurth. Bis zu seiner Einschulung in Potsdam lebte Hoimar v. Ditfurth in Berlin und Lensahn in der Holsteinischen Schweiz.
1939 machte er sein Abitur am altsprachlichen Victoria-Gymnasium in Potsdam (heute Helmholtz-Gymnasium). Danach studierte er Medizin, Psychologie und Philosophie an den Universitäten Berlin und Hamburg, wo er im Juli 1946 zum Dr. med. promovierte. Der Titel seiner Doktorarbeit: "Das Krankheitsbild des Retothelsarkoms, dargestellt an Hand eines Falles unter besonderer Berücksichtigung der klinischen Symptomatologie".
1949 heiratete er Heilwig von Raven. Der Ehe entstammen vier Kinder: Jutta (*1951), Wolf-Christian (*1953), Donata-Friederike (*1956) und York-Alexander (*1957).
Hoimar v. Ditfurth starb am 1. November 1989 in Freiburg/Breisgau an einem Thymom (Krebs der Thymusdrüse) und fand in Staufen seine letzte Ruhestätte.
Von 1948 bis 1960 war er an der Würzburger Universitätsklinik tätig, zuletzt als Oberarzt. 1959 habilitierte er an der dortigen Universität und wurde Privatdozent für Psychiatrie und Neurologie. 1967 wurde er an der Universität Würzburg und 1968 an der Universität Heidelberg zum außerordentlicher Professor der Medizinischen Fakultät ernannt.
1960 wechselte er zum Pharmakonzern C. F. Boehringer in Mannheim (heute Roche Diagnostics GmbH), und war dort als Laborleiter für die interne Entwicklung und anschließende klinische Erprobung von Psychopharmaka verantwortlich. Während dieser Zeit war er auch redaktioneller Leiter und Herausgeber der von Boehringer veröffentlichten Periodika "n+m" (Naturwissenschaft und Medizin) und "Mannheimer Forum". Für die Zeitschrift, deren Auflage rasch stieg, konnte er renommierte Wissenschaftler als Autoren gewinnen, wie z.B. die Nobelpreisträger Melvin Calvin, J.H.D. Jensen und A.J. Virtanen, den Verhaltensforscher Konrad Lorenz oder den Raketenforscher Wernher von Braun. rasch steigende Auflage
1969 lehnte er nach einem Probejahr eine Geschäftsführerposition bei Boehringer ab. Er wurde Dozent, freier Publizist und im Laufe der folgenden Jahre einer der profiliertesten Wissenschaftsjournalisten Deutschlands und widmete sich fortan "der faszinierenden, das Geheimnis unserer Existenz aus immer neuen Blickwinkeln erhellenden naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung".
Ab 1960 wurde Hoimar v. Ditfurth durch zahlreiche Zeitschriftenartikel, Rundfunkvorträge sowie durch Fernsehsendungen über die unterschiedlichsten naturwissenschaftlichen Themen einem breiten Publikum bekannt.
1970 erschien sein erstes Buch "Kinder des Weltalls", das ihn rasch als Autor bekannt machte. Dieses und die darauf folgenden Bücher erreichten Bestsellerauflagen.
Er war außerdem Herausgeber und Mitarbeiter diverser wissenschaftlicher Zeitschriften, Publikationen und Sammelbände, zu denen namhafte deutsche und internationale Naturwissenschaftler Beiträge lieferten, beispielsweise das "Mannheimer Forum".
Ab 1971 konzipierte und moderierte Hoimar v. Ditfurth die populärwissenschaftliche ZDF-Sendereihe "Querschnitt". Dank seiner Fähigkeit, komplizierte Sachverhalte allgemeinverständlich darzulegen und durch Modelle oder Experimente zu veranschaulichen, erreichte die Sendung regelmäßig hohe Einschaltquoten. Damit gelang es ihm, bei vielen Menschen Interesse an der Naturwissenschaft zu wecken.
Sein didaktisches Anliegen, die Naturwissenschaften transparenter zu machen, das Geheimnis unserer Existenz etwas aufzuhellen, hinter die "Fassade des Augenscheins" zu blicken und "unsere Überzeugung zu bestärken, dass die Welt nicht dort aufhört, wo unser Wissen zu Ende ist" ("Der Geist fiel nicht vom Himmel" 1976), wurde zusehends von kulturpessimistischen Tönen durchzogen.
1985 begründete Ditfurth in dem Buch "So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen - es ist so weit" seine Ansicht, dass kurzfristig die Selbstvernichtung der Menschheit drohe, ausgelöst durch Überbevölkerung, Rüstungswahn und Naturzerstörung, und wurzelnd in der evolutionär fixierten Aggressivität und "Unfertigkeit" des Menschen. "Wir kriegen die Natur nicht kaputt" war der einzige Trost, den Ditfurth seinen Lesern anzubieten vermochte. Seine persönliche Antwort auf seine apokalyptischen Prognosen war nicht Fatalismus, sondern engagiertes Eintreten gegen den "anthropozentrischen Irrsinn" wie Wachstums- und Rüstungswahn.
In den 1980er Jahren unterstützte er die Grünen im Kommunal- und Bundeswahlkampf, hielt jedoch kritische Distanz zu allzu ideologieträchtigen Positionen und politischem Aktionismus. Sein letztes Werk "Innenansichten eines Artgenossen", laut SPIEGEL (6.11.89) eine "meisterhafte Verbindung von persönlicher Lebensgeschichte und der Geschichte des Universums", offenbarte noch einmal das ethische Anliegen seiner düsteren Bestandsaufnahmen. Die einzige Hoffnung für die Menschheit läge in den Geboten der Bergpredigt, aber "viel Zeit bleibt uns nicht mehr".
Quelle: ZDF-Personendatenbank, Munzinger-Archiv
Hoimar v. Ditfurth war Träger in- und ausländischer Auszeichnungen, u. a.:
1968 | Goldene Kamera der Zeitschrift HÖRZU für die Produktion "Experiment mit dem Leben - Griff nach dem Gehirn" (WDR, 1967) |
1968 | Adolf-Grimme-Preis Die Jury der Fachpresse hat eine ehrende Anerkennung ausgesprochen an Professor Dr. Hoimar v. Ditfurth (Regie) für seine Sendung "Experiment mit dem Leben - Griff nach dem Gehirn" (WDR, 1967) |
1972 | Bambi der Zeitschrift Bild + Funk |
1973 | Bölsche-Medaille der Kosmos-Gesellschaft |
1974 | Goldener Bildschirm der Zeitschrift TV Hören & Sehen |
1974 | Sonderpreis des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft verliehen vom Adolf-Grimme-Institut für seine Sendung "Künstliche Erinnerungen - Neue Entdeckungen der Hirnforschung" (ZDF, 1973) |
1975 | Prix Futura der Union der Europäischen Rundfunkorganisationen |
1976 | Sonderpreis des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft |
1980 | Kalinga-Preis der UNESCO |
Hier sind Hoimar v. Ditfurths Antworten auf den persönlichen Fragebogen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21. August 1981.
Was ist für Sie das größte Unglück?
In einer Diktatur (oder einer sogenannten Volksdemokratie) leben zu müssen.
Wo möchten Sie leben?
Südwestdeutschland, Ligurien oder Provence.
Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?
Das gibt es nicht (relativ: über einem Manuskript zu sitzen, von dem ich das Gefühl habe es "könnte etwas werden").
Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?
Natürlich die, die ich selbst gemacht habe.
Ihre liebsten Romanhelden?
Pierre aus "Krieg und Frieden", Dubslav von Stechlin ("Der Stechlin"), der alte Quint aus "Jauche und Levkojen".
Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte?
Giordano Bruno.
Ihre Lieblingsheldinnen in der Wirklichkeit?
Die Berliner Arbeiterfrau, die im letzten Krieg Zettel mit selbstverfaßten Antinaziparolen in Telefonzellen etc. versteckte.
Ihre Lieblingsheldinnen in der Dichtung?
Jeanne d'Arc.
Ihre Lieblingsmaler?
Maler des Quattrocento, alle Impressionisten, Emil Nolde, Paul Klee.
Ihr Lieblingskomponist?
J. S. Bach.
Welche Eigenschaft schätzen Sie bei einem Mann am meisten?
Gelassenheit, Toleranz, Humor, Fähigkeit zur Selbstkritik.
Welche Eigenschaft schätzen Sie bei einer Frau am meisten?
Gelassenheit, Toleranz, Humor, Fähigkeit zur Selbstkritik.
Ihre Lieblingstugend?
Gelassenheit, Toleranz, Humor, Fähigkeit zur Selbstkritik.
Ihre Lieblingsbeschäftigung?
Lesen, Schreiben.
Wer oder was hätten Sie sein mögen?
Nichts anderes.
Ihr Hauptcharakterzug?
Die Neigung, nichts für selbstverständlich zu halten.
Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?
Gelassenheit, Toleranz, Humor, Fähigkeit zur Selbstkritik.
Ihr größter Fehler?
Ziemlich viele (leider!).
Ihr Traum vom Glück?
Eine Utopie: eine gerechte, humane, hassfreie Welt.
Was wäre für Sie das größte Unglück?
Ein Krieg.
Was möchten Sie sein?
Es kann so bleiben.
Ihre Lieblingsfarbe?
Keine besondere Vorliebe.
Ihre Lieblingsblume?
Viele (Rittersporn, Bougainvilleen, Klatschmohn u. a.).
Ihr Lieblingsvogel?
Die Schwalbe.
Ihr Lieblingsschriftsteller?
Theodor Fontane, Bert Brecht, H. G. Wells, B. Shaw.
Ihr Lieblingslyriker?
Keiner.
Ihre Helden in der Wirklichkeit?
Der Jesuit, der sich im KZ für einen polnischen Familienvater umbringen ließ, der Lehrer, der seine Kinder freiwillig ins KZ begleitete, Giordano Bruno, der sich nach sieben Jahren Kerker eher verbrennen ließ als das zu widerrufen, was er als wahr erkannt hatte.
Ihre Heldinnen in der Geschichte?
Weiß keine.
Ihre Lieblingsnamen?
Keine.
Was verabscheuen Sie am meisten?
Selbstgerechtigkeit, Pharisäertum, Arroganz, Fanatismus, Opportunismus.
Welche geschichtlichen Gestalten verabscheuen Sie am meisten?
Die kennen wir doch alle.
Welche militärischen Leistungen bewundern Sie am meisten?
Keine einzige.
Welche Reform bewundern Sie am meisten?
Alle Reformversuche, keins der Resultate.
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Ich würde gern malen können.
Wie möchten Sie sterben?
Besonders dumme Frage.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
Irgendwo zwischen Angst und Hoffnung.
Ihr Motto?
Audiatur et altera pars.
Hohlwangig, schwer atmend und von einer Halskrause umschlossen, jonglierte der Todkranke zum letztenmal mit den Bausteinen seines Denkgebäudes: Was ist der Sinn der Schöpfung? Welchem Plan folgt sie? Das war vor sechs Wochen im "Bücherjournal" der ARD.
In seinen Schriften, allesamt Bestseller, entwarf Hoimar v. Ditfurth apokalyptische Visionen und sezierte kühl das Ende der Menschheit - ausgelöst durch Überbevölkerung, Rüstungswahn und Naturzerstörung. So lasst uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen, überschrieb er eines seiner Bücher. Es ist soweit.
"Mit ein bisschen Magie, in der Haltung des Kosmikers", so sah ihn Walter Jens. Auch der Trost, den Ditfurth versprach, war nicht von dieser Welt: Die Verbrechen der Menschen an der Natur - aus der Perspektive der Ewigkeit gesehen, schienen sie ihm nur als Mehltau, den der Prozeß der Evolution wieder hinwegfegen werde. "Wir kriegen die Natur nicht kaputt." Nach dem Tod der Zivilisation würde sie sich "in 500 Jahren regenerieren".
Ditfurth - der große Kompilator, manchen ein "terrible simplificateur", der alle Sparten der Naturwissenschaft zusammenraffte und spannend aufzubereiten vermochte. Fachidioten waren ihm ein Greuel. 1968 kündigte er seinen Job als Industrie-Manager beim Pharma-Konzern Boehringer Mannheim, aus Angst, "menschlich kaputtzugehen".
Einem breiteren Publikum erschloss sich seine Gabe, schwierige Sachverhalte griffig darzustellen, über das ZDF-Wissenschaftsmagazin Querschnitte. In 75 Sendungen ließ der bärtige TV-Professor tiefgefrorene Frösche zum Leben erwecken oder erklärte die neuesten Ergebnisse der Hirnforschung anhand von überdimensionalen Pappmaché-Modellen. "Voodoozauber und Schamanenfirlefanz" waren dem Öko-Aufklärer und Pazifisten zuwider. Er spießte den Löffelbieger Uri Geller auf, demontierte das geblähte Charisma von Astrologen, entlarvte asiatische Wunderheiler und zertrat den astralen Thesenwust seines Trivial-Konkurrenten Däniken. 1983, nach 13 TV-Jahren, war sein "Jagdhundeifer", wie er sagte, erlahmt. Der geniale Moderator quittierte den Dienst.
Die Faszination der Querschnitte (bis zu zehn Millionen Zuschauer) lag nicht zuletzt in der Fähigkeit Ditfurths, dem Publikum eine Ahnung von dessen Ahnungslosigkeit zu vermitteln. Er präsentierte die Schöpfung nicht als Wundertüte mit Knowhow-Effekten, sondern als Garten der Abenteuer und "ungeheures Geheimnis". Wenn er in Lichtjahren dachte, im Studio die Kosmogenese durchschritt, beschlichen den Zuschauer Staunen und Ehrfurcht.
In seinen Büchern wurde das didaktische Anliegen zusehends von pessimistischen Tönen durchzogen. Weltuntergang dräute, verursacht durch das menschliche Stammhirn, das dem Gelehrten als "Neandertaler"-Erbe unterm Schädeldach galt.
Nicht als Krone der Schöpfung sah er den Homo sapiens, sondern eher als Baustelle, als "Wesen des Übergangs", aber auch als Störfaktor, der die lückenlose Kette des Werdens vom Urknall über den primitiven Einzeller bis hin zu sich selbst zu zerreißen drohe.
Ditfurths leidenschaftslos vorgetragener Abgesang war nicht Fatalismus, sondern das bewusste Einsetzen der Angst als Erkenntnismittel. Über 20 Jahre lang kämpfte der gebürtige Berliner gegen den "anthropozentrischen Irrsinn", entfachte Diskussionen über Welthungerhilfe und Wachstumswahn. Anfang der achtziger Jahre engagierte er sich in der Nachrüstungsdebatte und zog für die Grünen in den Wahlkampf.
In seinem letzten Werk "Innenansichten eines Artgenossen", einer meisterhaften Verbindung von persönlicher Lebensgeschichte und der Geschichte des Universums, das drei Monate vor seinem Tod erschien, wurde der Sinn der düsteren Prognosen ihrem ethischen Anliegen deutlich. Einzig mit dem Gebot der Bergpredigt, so die Hoffnung des schon schwerkranken Autors, ließe sich der aus den Fugen geratene Planet noch ordnen, aber "viel Zeit bleibt uns nicht mehr". Letzten Mittwoch starb Ditfurth 68jährig in einer Freiburger Klinik an Lungenkrebs*.
Anm.: *H.v.D. starb an einem Krebs der Thymusdrüse.Als weitere Quellen biographischer Information werden v. Ditfurths Bücher "Innenansichten eines Artgenossen" und "Das Gespräch" empfohlen, sowie nachstehende Bücher anderer Verfasser: